Donnerstag, 30. August 2012

Ärzte oder Onlinetools/DRGs?

Wohin führt uns die Gesundheitspolitik?  Welchen Weg geht die Medizin? Diese Frage beschäftigt nicht nur junge Medizinstudentinnen und Ärztinnen, sondern aufgrund der zahlreichen Skandale auch immer mehr Menschen allgemein. Werden die Ärzte durch schnellgebleichte Medizintechnologen und -manager ersetzt? Berichte wie der Transplantationsskandal und unnötige Knieoperationen füllen die Ferienlöcher der Yellow Press. Qualitätsmanagement ersetzt persönliche Zuwendung in den Krankenhäusern und Praxen. Das Personal beschäftigt sich zunehmend mit dem Ausfüllen von statistischen Daten, Kennzahlen und Dokumentationen um einen globalen Vergleich zu ermöglichen. Anstelle der seit Hippokrates existenten Heilkunst sind wir auf dem Weg zu einer technokratischen Medizinwissenschaft. Quantität und Vergleichbarkeit mit DRG (diagnosis related groups, diagnosebezogene Fallgruppen) ist wichtiger als Qualität und Zuwendung. Wer die höheren OP-Zahlen aufzuweisen hat, ist besser als der, der sich um seine Patienten kümmert. Als Zentrum darf sich nur bezeichnen, wer möglichst viele Zahlen hat. Da sind dann in Göttingen die Zahl der Lebertransplantationen wichtiger als das Wohlergehen der Patienten. Das medizinische Ethos bleibt auf der Strecke. Chefärzte/-innen werden von  Geldgebern und Verwaltungen unter Druck gesetzt, die OP-Zahlen müssen steigen. Patienten mit Schlaganfall dürfen nicht in eine Stroke-Unit verlegt werden, da man sonst auch in Zukunft "den Fall Schlaganfall" nicht  mehr abrechnen kann. Bürokratische Zettelausfüllerei anstelle von Handhalten und Zuhören. Kontrollwut, Leitlinien, gesundheitsökonomisch orientierte Leistungskataloge und DRGs verleugnen eine individuelle Medizin. Eine angeblich evidenzbasierte, zeitsparende Medizin wird von finanzorientierten Gesundheitsmanagern gesteuert. Werden Ärzte eines Tages durch Chats, Apps und Onlinetools überflüssig?
Nein! Es lebe der Arzt, der eine individuelle Heilkunst mit persönlicher Zuwendung, gegenseitiger Achtung und Vertrauen, Zeit für Gespräche und persönlich maßgeschneiderte Therapiewege anbietet. Der Arzt, der den Weg zur Heilung mit seinen Patienten gemeinsam geht und sie auch mal in den Arm nehmen darf und nicht die Seele den Klinikclowns und Psychotherapeuten überlässt! Diese Ärzte gab es immer und wird es immer geben! Lassen wir den Rest doch den Kaufleuten, IT-Fachleuten und Gesundheitsmanagern - aber laßt uns gute und echte Medizin machen!
Wie schon die Weber nicht durch Webstühle, so sind auch Bücher und Zeitungen sind nicht durchs Internet überflüssig geworden, auch Ärzte werden nicht durch PC's ersetzt! Das möchte ich den jungen Ärzten mit auf den Weg geben - wir brauchen auch im vor uns liegenden Jahrhundert vertrauenswürdige Ärzte, die mit uns reden, uns ernst nehmen und Therapieentscheidungen nicht nur nach Statistik und Health Technology Assessments = Technologiefolgenabschätzung in der Medizin treffen. Oder wie einer meiner Lehrer sagte: wir behandeln Menschen und nicht Laborwerte.



Mittwoch, 29. August 2012

Urlaub in der Mittagspause



 ... nach dem Essen sollst Du ruhn oder 1000 Schritte tun...

fast wie Urlaub... erst Essen im Liebighof, dann Spaziergang an der Isar bei herrlichstem Wetter..


..meine Mädels!

Sonntag, 26. August 2012

Märchen in der Wissenschaft

Vor allem in letzter  Zeit verlagert sich die dichterische Phantasie mancher Menschen in die Wissenschaft und so manche fantastische Erzählung flog auf.


Aber Betrug und Irrtum gab es schon immer in der Wissenschaft - nicht erst seit dem Buch "Betrug und Täuschung in der Wissenschaft" von William Broad und Nicholas Wade oder "Betrug und Irrtum" von Douglas J. Keenan. Anfang des 18.Jahrhunderts gab es bereits die Würzburger Lügensteine, gefälschte Fossilien aus Muschelkalk. Im Zeitalter des worldwideweb finden sich unendlich viele Seiten über Plagiatoren, Menschen, die sich mit fremden Federn schmücken, Ghostwriter, Betrüger, Täuscher, Fälscher, Abkupferer und auch eine gewissenhafte Seite bei Wikipedia. 



Die Dreistigkeit einiger Fälscher überrascht dennoch. Man denke an den chinesischen Hanxin Mikrochip, auf dem nur der Logoaufdruck chinesisch war, an die Molekularbiologin Marion Brach, die Daten für Veröffentlichungen über Krebsforschung fälschte, der Verdacht, dass die renommierte Immunologin Bulfone-Paus Bild- und Datenmaterial gefälscht hat, ist nach wie vor nicht aus der Welt. Getrennt aufgewachsene Zwillingspaare über Jahrzehnte einfach zu erfinden, wie der Engländer Cyril Burt es tat, ist wirklich unglaublich. 



Diese Zwillingsliteratur hat mich schon früh interessiert, da ich als kleines Mädchen meinen Eltern kaum ähnlich sah. Familienähnlichkeit faszinierte mich aus diesem Grund bei andern umso mehr. Wie sehr die Erstgeborenen bereits im Kreissaal ihren Vätern ähneln, beeindruckt mich jedes mal wieder. So mancher Vater sagte im Kreissaal: das bin ja ich oder das ist ganz meine Mutter. Ich glaube, das ist ein Trick der Natur, um die Vater-Kind-Bindung zu verstärken,  denn die Ähnlichkeit bleibt ja nicht unbedingt.

In meiner Studiengeneration gab es - wahrscheinlich als Reaktion auf das Dritte Reich mit seiner Überbewertung von Rasse und Gen - eine Überbetonung von Umwelt und Erziehung.  Nicht nur das Aussehen, nein, auch manche Verhaltensweise und Begabung vererbt sich aber überdurchschnittlich auffällig. Aufgrund von Erzählungen in der Praxis und eigenen Erlebnissen habe ich den Eindruck, dass ganz unterschiedliche Eigenschaften wie "Zungenrollen", aber auch die Liebe zum Knuddeln und In-den-Arm-nehmen in Familien vererbt und keinesfalls erst anerzogen werden. 
Falls sie es nun wissen wollen - ich habe übrigens die Nase meiner polnischen Urgroßmutter mütterlicherseits und die Augen aus der Familie meines Vaters, ebenso das "Lerchen-Gen"= das Frühaufsteher-Gen= Per 3-Gen,  um mein "Genie" streiten sich die beiden Familien ;-). 
Ich versuchte schon früh, möglichst viel von meiner Mutter über ihre Familie zu erfahren. Aufgrund von  Kriegswirren und der Scheidung meiner Großeltern gab es von der Seite meiner Mutter kaum Fotos oder Unterlagen. Der Großvater väterlicherseits hat eine kurze Familienchronik mit vereinzelten Bildern verfaßt. Jetzt wissen Sie, warum mich die zahllosen Fotos aus der Familie meines Mannes besonders begeistern. Mein Mann hat eine Tante, die auch heute noch  (bei Damen redet man nicht übers Alter) sehr fit und reiselustig ist und sich unglaublich genau und detailgetreu an Namen und Ereignisse erinnert. Ein Segen für jede Familienchronik trotz der "weißen Handschuhe". Mein Mann und ich haben vor ein paar Jahren ein kleines Buch über die Familie Gruppe zusammengestellt. Das bereitete uns viel Freude. Es half auch, manche Trauer aufzuarbeiten. Jetzt freuen sich besonders auch die jungen Familienmitglieder an ihren Vorfahren. Besonders die Mädchen finden die gutaussehenden Männer toll (..den hätte ich auch genommen...), mir gefallen die schön gekleideten Kinder und Frauen:



auf den Fotos: die Großmutter meines Mannes Franziska Helene Gertrud Anders geb. 1884

Familienalben der Familie meines Mannes
und bayrischer Trachtenschmuck


Aha, jetzt sind sie also neugierig auf weitere Fotos.

Da wir ja vor allem mit Frauen zu tun haben, hier meine Nördlinger Großmutter Pauline Philippine Dinger geboren 1903 (am Namen merkt man - der Wunsch nach einem Sohn ist der Vater vieler Töchter) und ihre vier Schwestern.
"die Dingersmädle"
Übrigens meine Großmutter ist die zweite von rechts.

Samstag, 25. August 2012


Unbedingt sehenswert und ein wunderbares Vorhaben für ein verregnetes Wochenende ist der Film "Bavaria - Traumreise durch Bayern" von Joseph Vilsmaier! In München in einigen sehr schönen Kinos zu erleben. Wir waren gerade zum ersten Mal in der Astor Cinema Lounge im Bayrischen Hof - für eine Wochenendfernbeziehung perfekt!



Beim Europäischen Tag der Jüdischen Kultur, am Sonntag, den 2. September 2012, ganztägig am St. Jakobs-Platz 18 geht es um "Jüdischen Humor" - "The Spirit of Jewish Humor". Dabei gibt es um 10:30h und um 14:30h einen Stadtrundgang "Auf jüdischen Spuren" - Voranmeldung bis 31.08. unter karten@ikg-m.de unbedingt erforderlich. Um 16.45h die Karikaturenausstellung "KOHNVERSATION". Um 18:00h "Die Frau von Pollak oder Wie mein Vater jüdische Witze erzählte" - eine Lesung mit Miguel Herz-Kestranek über Schlemihlen, Schnorrern, Weise und Wunderrabbis ganz im Sinne Friedrich Torbergs. Weitere Informationen im Internet unter www.ikg-m.de

Jetzt erscheinen Ankündigungen immer in diesem Pink!

Donnerstag, 23. August 2012

Scheherazade

Mein Blog über das Erinnern und die retrospektive Veränderung des eigenen Lebenslaufes / der Biographie scheint nicht nur meine Patientinnen zu interessieren. 

Heute wollt Ihr also vom weitgereisten Großvater Gruppe hören. Hier die immer wieder berichtete Geschichte von der wahrhaften und wirklichen Weltreise des Traugott Gruppe geboren 09.11.1882:



Großvater Gruppe als Märchenerzähler am Strand von Dame

.. und es war einer.. und es war keiner.. und außer Gott gab es niemand...
so beginnen die Märchen im Orient.

Bei uns heißt es .. es war einmal.. am Strand von Dame und Großvater Gruppe erzählte von seiner Reise in den Harz. 

Wegen meiner Lungenerkrankung empfahl mir der Arzt, ich solle mich doch zur Kur in den Harz begeben, dort schickte man mich gen Süden nach Davos. Ich fuhr einen Tag und eine Nacht, denn damals fuhr man noch mit dem Zug. Doch der Arzt in Davos riet mir wegen des schlechten Wetters noch weiter nach Süden zu ziehen. Ich fuhr einen Tag und eine Nacht und da ich dieser fremden Sprache nicht mächtig war, ging ich von Abteil zu Abteil und fragte nach jemanden, der Deutsch spräche und mir die Speisekarte übersetzen könne und mir beim Essen Gesellschaft leisten würde. Ein freundlicher, gut aussehender Herr erbot sich, mir behilflich zu sein und so gelangten wir plaudernd in den südlichen Teil von Italien vorbei an Zitronen und Wein und rauen Bergen und lieblichen Küsten. Nach Tagen und Nächten gelangte ich an die südliche Spitze des Stiefels. Dem schwarzen Kontinent so nah, beschloss ich doch überzusetzen und gelangte nach Nordafrika. Dort wollte ich von Oase zu Oase ziehen, doch bereits nach wenigen Stationen behandelte man mich schlecht und irgendwann wies man mir, dem Ungläubigen, ein Nachtquartier bei den Kamelen an und trotz heftigen Protests schleppten mich die Männer davon. Ich wehrte mich heftig und konnte mich losreissen und fand mich vor einer großen, doppelflügeligen Tür wieder. Obwohl alle versuchten mich davon abzuhalten, diese zu öffnen, gelang es mir doch. Ich gelangte in einen riesigen Raum, in dem ringsum große  Kissen an den Wänden auf dem Boden lagen, darauf saßen weiß gekleidete vornehme Herren. Vor Kopf saß offensichtlich der Anführer. Zu meiner Verblüffung erhob er sich freudig mit den Worten "dieses ist mein Freund Gruppe". Es war mein wirklich liebenswerter Begleiter aus dem Zug in Italien. Jetzt hatte ich ausgesorgt. Ich wurde mit großem Geleit und wahrhaft orientalischer Gastfreundschaft von Oase zu Oase, von Karawanserei zu Karawanserei begleitet.

Wenn es nicht war ist, so ist es doch gut erfunden.

Die Erzählkunst von Scheherazade mit Ihrer Begabung, eine unendliche Geschichte mit vielen Fortsetzungen und täglich steigender Spannung zu erzählen, fesselt nicht nur Kinder.  Die wunderbaren russischen Märchen mit ihren Baba Jagas, die chassidischen Geschichten und die Märchen der Gebrüder Grimm habe ich als Kind regelrecht verschlungen. 
Lange lies sich mein Bruder von mir mit dem Ausruf "Barbara Geschichte" abends fantastisches Erfundenes erzählen. Die Hauptfigur war ein kleines Mädchen namens Gerti, die aus einem Loch in der Wand neben meinem Bett kletterte. Mein Mann berichtet Gleiches, auch er erzählte seinem Bruder lange Zeit phantasievolle Geschichten von einer erfundenen Familie mit dem Namen Neumann und ganz vielen Kindern. So schließt sich der Kreis - wir hatten als Kinder also nicht nur die gleiche "Kotze"= Lodenumhang. Wir lesen beide heute noch leidenschaftlich gerne die Geschichten von Rafik Schami. An einem Weihnachtsabend lauschten meine Mutter und ich mit großer Begeisterung meinem Mann, wie er die Geschichte über "die Katze, die eigene Wege geht und der alle Orte gleich sind" von Rudyard Kipling nacherzählte (nicht vorlas!). 
Aber heute ist es spät und das Feuer ist heruntergebrannt, so werden wir uns ein andermal wieder treffen und von neuem der Erinnerung lauschen....

Sonntag, 19. August 2012

"WEISSE HANDSCHUHE"

"WEISSE HANDSCHUHE - wie das Gedächtnis Lebensgeschichten schreibt" bzw. "white gloves. how we create ourselves through memory"- dieses Buch von John Kotre ist gerade wieder in meine Hände gelangt. 
Vor etwa einem dutzend Jahren wurde dieses Buch bzw. sein Titel in unserer Familie immer wieder zitiert. Der Autor beschreibt anhand von den weissen Handschuhen seines Grossvaters, an die er sich erinnert - obwohl er sie nie gesehen hat - wie unser autobiographisches Gedächtnis unsere Erinnerung fortlaufend umschreibt und den Gegebenheiten anpasst. Er beschreibt wie die Fakten der Biografie von uns fast dichterisch umgeschrieben werden. 
Meine Mutter erinnerte sich an eine rote Polsterbank im Hause ihrer Grosseltern, die es jedoch nach Aussage ihrer noch lebenden Angehörigen nie gab. 
Gerade anhand meines Blogs über vergessene Speisen und Gerüche kam bei uns dieses Thema der Erinnerung an die Kindheit wieder auf. Vieles ist heute einfacher, da wir uns anhand von Fotografien oder gar Filmen leichter besinnen. Es ist auch sehr spannend wie unterschiedlich Geschwister / Eltern sich an die gleiche Begebenheit erinnern. Chronologisch ist manches auch verschoben. Ich bin oft unsicher, wie vieles ich nur aus Erzählungen meiner Mutter weiss und an wie wenig ich mich selbst erinnere. Kalkfahnen der Strassen auf der schwäbischen Alb, wenn ein Auto kam? Eisblumen am Fenster? Das frischgebackene Brot von "Oma Miedelein" (einer alten Frau, die für das Dorf im Ofen Brot backte), das ich noch warm im Arm nach Hause trug und von dessen verlockender Kruste ich mir kleine Kanten herausbrach? Meine Erinnerung beginnt so richtig erst mit 6 oder 7 Jahren, davor gibt es nur Erinnerungsfetzen oder -streiflichter. Bei meinem Mann reicht die Erinnerung viel weiter zurück. Sein Vater ist gestorben als er noch klein war und trotzdem erinnert er sich sehr deutlich an manche Begebenheit. Vielleicht war ich deshalb auch so fasziniert von den unglaublich vielen Fotos, die es in der Familie meines Mannes gibt. In dieser Familie ist die Erzähl- und auch die Erinnertradition viel ausgeprägter als in meiner Familie. Man könnte es fast als ein narratives Gen beschreiben. Bereits in den Anfangsjahren unserer Ehe berichteten die Verwandten mir von den erfundenen und tatsächlichen Weltreisen des Großvaters in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts.
Zum Schluss noch zwei Fotos aus der Kindheit von meinem Mann und mir - vor der Unisexkleidung?

ein Foto von mir
mit Riesenkopf und handgestrickter Mütze
mein Mann als Kind
Und für alle, die Spaß an schönen alten Fotos haben, ein paar echt Münchner Fotos aus der mütterlichen Sippe meines Mannes:

Links Urgroßvater, rechts Großvater,
der aufgrund seiner Größe
vor der Münchner Residenz Wache stand
kitschig schön: Großtante Resi
der stattliche Urgroßvater,
Leiter des Münchner
Telegrafenamts



die Großmutter als Rotkreuzschwester in der Taxisstraße

Wie man an dem folgendem Reisepass von 1927 von Großvater Gruppe und seiner Frau sehen kann, gab es Zeiten, in denen die Ehefrau beim Mann mit im Pass stand - so wie heute Kleinkinder.





Zum Vergrößern kann man die Fotos einfach anklicken!

Mittwoch, 15. August 2012

Isarspaziergang

Auch wenn derzeit immer öfter die medizinpolitische Entwicklung mein Denken beherrscht mit Themen wie DRG = diagnosis related groups, also medizinökonomische Fallpauschalen, und vielem mehr, nehme ich sie jetzt auf einen kleinen sommerlichen Isarspaziergang rund um die Praxis mit fotografischen Impressionen mit:







Müllersches Volksbad








Frauendreissiger und Zwetschgenbavesen


15.August - heute möchte ich über der "Frauendreissiger" und ein paar damit verbundenen Sitten und  Bräuche berichten. In Lena Christs "Rumpelhanni"  (wurde in meiner Schulzeit in der Schule gelesen) kann man mehr darüber lesen. Ehrlicherweise hat mich der Name "Frauendreissiger" und mein Wohnsitz Ramersdorf zu diesem Blog motiviert. Weniger die Marienverehrung als vielmehr die vorchristliche Sitte der Kräuterweihe und natürlich die Frauen sind der Anlass meines Berichts.Heute wurde in Maria Ramersdorf der Frauendreissiger mit feierlicher Segnung der Kräuterbüschel eröffnet. 
Im Anschluss an den Gottesdienst kann man die traditionellen Zwetschgenbavesen in der Konditorei gegenüber der Kirche essen. Da sind wir schon wieder bei den altmodischen Speisen meines letzten Eintrags. Bavesen sind seit dem römischen Reich bekannt und sind wohl als "zuppa pavese" (damals salzig) aus Italien in den Norden gekommen. Im ältesten deutschen Rezeptbuch wurde diese auch "Armer Ritter" genannte Speise bereits um 1400 erwähnt. Es gibt da ganz unterschiedliche Rezepte, allen gemeinsam sind die in Milch getauchten Weissbrotscheiben, die in Fett herausgebacken werden. Früher wurden die Bavesen zu Lichtmess für Knechte und Mägde gebacken, sozusagen als süsse Bestechung doch zu bleiben, erst später wurden sie bei uns zu einem Sommergebäck. Wie man bei Wikipedia sehen kann, gibt es sie weltweit - in Portugal isst man die  rabanadas zu Weihnachten, in Spanien die torrijas zur Fastenzeit, in England heissen sie "poor knights of windsor", in den USA french toast, in der Türkei ekmek kizartmasi. 


Meine Internetrecherche hat ergeben, dass die Wallfahrt 1644 von Münchener Bürgerfrauen auf folgender Strecke errichtet wurde: Alter Peter - Tal - Isarquerung - weiter die heutige Rosenheimerstrasse - bis Maria Ramersdorf - mit 16 Bildern aus der Lebensgeschichte Mariens. 1683 stifteten  sieben Münchner "Loderer", das sind Tuchmacher, ein Votivbild für diese 30-tägige Marienverehrung von Maria Himmelfahrt am 15.8. bis zum Fest der Kreuzerhöhung 14.9.
Der Ursprung ist eher vorchristlich und fusst auf der Erfahrung, dass um diese Zeit die Kräuter besonders würzig und heilkräftig sind. Die Kräuterbuschel enthalten meist eine "magische Zahl" von Kräutern - also 5 - 7 - 9 etc. Die Sträusse werden in der Kirche geweiht, getrocknet und dann aufgehängt im Herrgottswinkel, über Türen oder unterm Dach von Haus oder Scheune. Sie sollen den Menschen Gesundheit und ein gutes Jahr bringen.
In diesem Sinne auch Ihnen ein gesundes und glückliches Jahr!

Sonntag, 5. August 2012

Auch wenn ich durch die Musik meiner Kindheit sehr geprägt bin, entdecke ich doch immer wieder Neues.
Kürzlich haben wir in Bonn Schüler des Aloisius Kollegs mit der Overtüre mit hebräischen Themen von Prokofiev gehört. Die 14-jährige Klarinettistin Sophia Simeonov und der Pianist waren unglaublich gut. Ich habe das Stück gleich unter meine derzeitigen Top Ten eingereiht. Ebenfalls "neu" sind zwei weitere Stücke: das Violinkonzert von Philip Glass und das Klavierkonzert A-Moll von Grieg. Daneben habe ich viel Spaß an den sprachlich und rhythmisch schönen Texten von Tim Bendzko in "wenn Worte meine Sprache wären" oder "nur noch kurz die Welt retten". Bei Ina Müller liebe ich die Kombi aus Song und frechem Text in "Smalltalk", "Maxi Cosi" oder "Orangenhaut". Seit meinem ersten Besuch bei einer Night of the Proms bin ich auch ein Fan von Rosette  mit "Joyride"und Alan Parsons "Silence and I" und "Eye in the sky".

Vergessene Gerichte der Kindheit

Was wäre ein Frauentreffen ohne einmal über Kochen und Esskultur zu sprechen?


Ich will hier keinesfalls ein Klischee verbreiten, gerade unter den Ärztekollegen in meinem Umfeld gibt es einige unglaublich gut kochende Männer! Mein eigener Ehemann rühmt sich allerdings immerhin Spiegelei und Darjeeling zu kochen. Dafür isst er mit grosser Begeisterung alles von mir Gekochte.
Verblüffend ist, dass auch die Küche einer Mode und wechselndem Geschmack unterworfen ist, nicht nur landsmannschaftlichen Unterschieden. Kürzlich habe ich mich in "Magenschonkost" geübt und mich dabei alter Rezepte wie Hühnerfrikassee, eingelegtes Kalbfleisch und Königsberger Klops erinnert. Nicht nur ich liebe Kapern in weißer Sosse. Bei uns daheim gab es das mit breiten Nudeln, in der Familie meines Mannes mit Reis, zu Einladungen als Königinnenpastete. 
Es macht richtig Spass, sich so an die Gerüche und den Geschmack der Kindheit zu erinnern. Erinnern Sie sich noch an typische Essen aus ihrer Kindheit, die es heute kaum noch gibt? 
Meine schwäbische Großmutter hat wunderbare Maultaschen gekocht - in der Brüh, mit g'schmelzte Zwiebel und am nächsten Tag mit Ei in der Pfanne wieder aufgebacken. Das gibt's auch heute noch. Aber ihre "Krautsfülle", ein Auflauf aus Weißkraut und im Fleischwolf durchgedrehtem gekochtem Fleisch mit viel Majoran/Beifuss und manchmal Kartoffelscheiben dazwischen, habe ich nie wieder gegessen. Ebenso gab es nirgendwo ihre süßen oder salzigen "Bauchstecherle" oder "Buabaspitzle", die nicht wie im Internet zum Teil beschrieben Schupfnudeln waren! Den "Gaisburger Marsch" habe ich allerdings nie gemocht! Meine andere Großmutter machte unter anderem ein köstliches Weinchaudeau, das wahrscheinlich wegen seiner Üppigkeit von der Dessertliste gestrichen wurde.
So vieles - Fürst Pückler-Eis, Charlotte Russe, Ofenschlupfer, Armer Ritter, Käseigel, Waldorfsalat, Würstchen im Schlafrock, Kalte Ente und Kalter Hund (gab es bei uns nie) und manches mehr - ist heute von der Speisekarte fast völlig verschwunden.
In den Sommerferien fuhren wir an heißen Sommertagen mit unserem Großvater ins Freibad auf die Nördlinger Marienhöh' und dazu wurde Kartoffelsalat ein Weckglas gepackt - mit "Saitenwürstchen" oder Schnitzelchen. Da läuft mir heute noch das Wasser im Mund zusammen.
Solche Erinnerungstouren mit Geschmack und Duft sind wirklich lustig. In der Erinnerung kommen dann Essen bei der Verwandtschaft, in Ferienorten mit dampfenden Krabben aus der Tüte vom Kutter in Sylt oder Klassenfahrten mit völlig fremdem, gewöhnungsbedürftigem Essen wie süßer Graupensuppe oder Lapskaus und vieles mehr auf.


Man könnte die Erinnerungstour mit Tönen und Musik fortführen - Sonntagmorgens war geprägt von der Lieblingsmusik meines Vaters, laut ertönten Händels Alexanderfest oder Tochter Zion aus Judas Maccabäus durch alle Räume - natürlich vom Tonband, das es heute auch nicht mehr gibt -  abends Dvoráks "Aus der Neuen Welt".
Die Erinnerungen bringen mich noch beim Schreiben zum Schmunzeln. Vielleicht geht es ihnen, liebe Leserin ja auch so.