Samstag, 16. Februar 2013

Fasching versus Karneval - Alaaf oder Helau?

In dieser Woche war es in München ziemlich ruhig, morgens waren die Straßen richtig leer, der Grund: "Faschingsferien". Alle Welt war ausgeflogen.
Ein Anlass für mich, nochmals über deutsches Brauchtum zu plaudern. In Deutschland heißt die Zeit vor Beginn der sechswöchigen vorösterlichen Fastenzeit je nach Region Karneval, Fasching, Fastnacht oder Fasnacht. Die Hochburgen des Karnevals sind im Rheinland und der Fastnacht im schwäbisch-alemannischen Bereich. Bereits bei den alten Römern gab es prächtig geschmückte Wagenumzüge wie heute in Köln. 
Im Süddeutschen Raum gibt es im Dezember und Januar bzw. in den Raunächten bis zum Dreikönigstag neben der leichten Fröhlichkeit auch die etwas handfestere Variante, wie die Perchten, die auch auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurück schauen können. Meine Mutter hat als kleines Kind die Perchten wegen ihrer groben Scherze sehr gefürchtet. Bei dieser Art des Mummenschanzes gab es öfter Exzesse, wo Menschen im Schutze der Maske so manches Unwesen trieben. Aber Perchtenlauf und Fasching oder Karnevalsumzug sind an sich zwei ganz unterschiedliche Bräuche, auch wenn bei beiden das Winteraustreiben eine Quelle des Brauchtums ist. 





Fasching im Refektorium
Hebammenfasching
In Bayern bzw. München feiert man den "Fasching" eher auf privaten Festen, wenn auch die Feste zum Beispiel beim bayerischen Rundfunk legendär sind. Mein Vater erzählte immer begeistert von den phantasievollen Kostümen auf dem Ball der Damischen Ritter. In meiner Schul- und Studienzeit gab es zahlreiche private Faschingsbälle, in denen die halbe Wohnung geschmückt und je nach Thema eingerichtet wurde. Auf manchen Faschingsbällen wurden Preise für die besten oder verrücktesten Kostüme vergeben.  Fröhlich war es auch, wenn wir uns bereits vorher bei uns zuhause zum Schminken trafen. Die schönsten Feste in meiner Studienzeit fanden im physiologischen Institut statt. Unvergesslich ist mir ein Faschingsdienstag im Refektorium der Nonnen in der Maistraße. Herrlich ausgelassen waren auch die Faschingsbälle im Hebammencasino. Der größte Spaß war immer zu sehen, wer hinter welch erstaunlicher Verkleidung steckte. 


Der rheinische Karneval mit großen Prunksitzungen und Straßenkarneval ist ganz anders, viel lauter und viel öffentlicher - und viel politischer. Das liegt auch daran, daß eine seiner Quellen die Auflehnung gegen die französische Besatzung zu Napoleons Zeiten ist (und später gegen das preußische Militär). Daher gibt es auch die vielen Uniformen, traditionell in den französischen Farben rot, weiß und blau. Es gibt viele Rituale, die dem Zugereisten fremd sind. Neben dem Rosenmontag hat sich Weiberfastnacht als zweiter Höhepunkt etabliert. Mein Mann ist in Eschweiler, einer der Karnevalshochburgen des Rheinlandes, aufgewachsen. Nach Köln und Mainz hat Eschweiler, eine kleine Stadt in der Nähe von Aachen, den drittgrößten Rosenmontagszug. Die Zahl der "Jecken" übertrifft an "Fasteloovend" bei weitem die Zahl der Einwohner dieser kleinen Stadt. Auch meine aus München stammende Schwiegermutter liebte diese Tradition, die sie meist mit Ihren Freundinnen ausgiebig feierte. Eine sehr nette Sitte ist am Aschermittwoch das Fischessen, bei dem die schönsten Geschichten der zurückliegenden "tollen Tage" in kleiner Runde nochmals zum Besten gegeben werden. 
Weiberfastnacht in Bonn
Mich fasziniert vor allem Weiberfastnacht. Im Rheinland wird hier spätestens (!) ab Mittag nicht mehr gearbeitet und ausgiebig gefeiert. Da gibt es neben der Traditon des Krawatteabschneidens auch die Tradition der Rathauserstürmung mit der Schlüsselübergabe zur Übergabe der Macht an die Frauen!  Die "Erfindung" reklamiert übrigens die Stadt Bonn, genauer gesagt der rechtsrheinisch gelegene Stadtteil Beuel, für sich, auch wenn der exakte Historiker dem widersprechen würde. Der Donnerstag vor Karneval war der eigentlich freie Tag der Waschfrauen in Beuel. Schon 1824 gründete sich dort das "Alte Damenkomitee", um damit den Frauen die Teilnahme am bis dahin rein männlich dominierten Karneval zu erstreiten. 

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