Sonntag, 18. November 2012

"staade Zeit"


Es wird wieder Zeit für weitere Bräuche. Der Dezember bzw. die staade (=stille, besinnliche) Zeit ist wahrhaftig angefüllt mit Brauchtum aller Arten. Verzeiht mir, wenn dabei der ein oder andere Brauch zu kurz kommt.

Dabei erinnere ich mich an den Ausspruch des Enkels einer Freundin meiner Mutter. Er rief beim Anblick des mit Tannenzweigen und Kugeln geschmückten Treppengeländers "ist das kitschig". Er fand es wunderschön, hatte aber gelernt, daß so etwas immer als "kitschig" bezeichnet wurde. Also wir sprechen über Bräuche und nicht über Geschmack. Das Schöne an Traditionen und Bräuchen ist mir im vergangenen Jahr besonders klar geworden. Ich liebe meine Traditionen!

Barbaras Adventskranz 2012

Gestern habe ich meinen Adventskranz gemacht - heuer etwas früher als sonst, da ich am kommenden Wochenende mal wieder in Bonn bin. Ich genieße diese kreative, friedliche Tätigkeit bei Musik, Plätzchen und Kerzenlicht. Das Licht der Kerzen erhellt die Dunkelheit der Winterzeit und ist damit ein Zeichen für Hoffnung und vertreibt das Böse. Der Adventskranz ist eine relativ junge Sitte und wird auf den evangelischen Theologen Johann Hinrich Wichern in Hamburg zurückgeführt. Sein ursprünglicher Kranz hatte 23 Kerzen (19 kleine und 4 große für die Sonntage) und stand erstmals im „Rauen Haus“ in Hamburg, einer sozialen Institution für arme und verwahrloste Kinder.


Mit dem ersten Advent beginnt vor allem für die Kinder eine schöne Zeit mit Kerzen, Singen und Platzerl- und Stollenbacken. Bei der Rückbesinnung an die heimischen Bräuche rieche ich noch heute den Duft von Zimtsternen, Sternanis, denke an Kerzenlicht am Abend, Geschichtenlesen, Liedersingen und an die Päckchenkalender meiner Mutter. Sie hingen neben dem Türrahmen, die weißen Päckchen waren mit Schokolinsen, Gummibärchen und anderen einfachen Süßigkeiten gefüllt und mit roten Bändern zugebunden, gekrönt von einer Pralinenkugel mit Lamettarand. 

Christbaumkonfekt
Viele Mütter oder Großmütter packen kleine Päckchen für den Adventskalender für ihre Kinder und Enkel. Heute erleichtern uns viele Arten vorgefertigter Kalender, die nur noch gefüllt werden müssen, diese Tätigkeit. Jeden Tag vom 1.12. oder vom ersten Advent an bis Heiligabend darf ein dann ein Päckchen oder ein Türchen geöffnet werden. So wird auf wunderbare Weise die Vorfreude gesteigert.


Engel und Bergmann
In der Adventszeit wird das Haus geschmückt, im Erzgebirge und Thüringen gibt es „Engel und Bergmann“. Mein Mann, dessen väterliche Familie aus Thüringen stammt und der ursprünglich Bergbau studiert hat, hat mir erklärt, daß dort traditionell ein Bergmann für jeden Sohn und ein Engel für jede Tochter um die Weihnachtszeit ins Fenster gestellt wird. Dieses Licht soll den Bergleuten in der finsteren Nacht nach der Schicht nach Hause leuchten. Die Sitte des Lichts im Fenster, das den Weg nach Hause zu ihren Lieben weist, gibt es ja auch für Seeleute.

Am Barbaratag (4.Dezember) schneidet man Kirschzweige = „Barbarazweige“ und stellt sie ins warme Wasser, damit sie bis Weihnachten blühen, dazu gibt es viele symbolische Bedeutungen von Glück im kommenden Jahr bis zum Bräutigam für junge Mädchen.
Eine Bauernregel sagt: „Knospen an St. Barbara, sind zum Christfest Blüten da.

Am Vorabend zum Nikolaustag (6.12.2012) stellen die Kinder Ihre Stiefel oder Strümpfe vor die Tür, damit sie mit kleinen Gaben gefüllt werden. Bei manchen kommt Nikolaus sogar persönlich vorbei und hat ein goldenes Buch aus dem er Gutes und Schlechtes aus dem vergangenen Jahr vorliest, am Ende gibt es immer eine Bescherung mit Geschenken aus dem großen Sack. Manchmal wird er in Bayern vom kettenrasselnden Krampus, in anderen Ländern von Knecht Rupprecht mit der Rute begleitet. Nicht zu verwechseln Santa Claus im englischen Sprachraum, der in der Nacht auf den 25.12. mit dem Rentierschlitten unterwegs ist und durch die Kamine rutscht, um die da aufgehängten Strümpfe mit Geschenken zu füllen.

Eine besondere Art von Lichterfest ist Santa Lucia, das Fest der schwedischen Lichterkönigin am 13.12. Hier gibt es keine Geschenke. Hier weckt ein weißgekleidetes Mädchen mit einem Kranz mit brennenden Kerzen auf dem Kopf die Schlafenden in der Familie und bringt ihnen Gebäck. Bis zum 16. Jahrhundert galt die Nacht als die längste des Jahres und mit Lucia begann die Zeit des Lichts.

In dieser Zeit, in der die ganze Natur ruht haben Pflanzen wie die Misteln, die um diese Zeit grün sind und sogar Beeren tragen oder wie die Christrose= Helleborus, die um die Weihnachtszeit blüht, eine besondere Bedeutung. Die Mistel spielte bereits bei alten germanischen Wintersonnwendfeiern eine Rolle. In England gibt es den Brauch mit dem Küssen unterm Mistelzweig.

In den dunklen Nächten zum Jahresende - auch Raunächte/Rauhnächte - gibt es in vielen alpenländischen Gegenden auch wilde Bräuche mit Perchten, Buttnmandl und Klausentreiben. 
In Skandinavien gibt es das Julfest zum 21.Dezember (Wintersonnenwende).

An ein paar vorweihnachtliche Sitten erinnere ich mich allzugerne: 

Während meiner Studienzeit hat mich die Familie eines Freundes zum Adventssingen nach Salzburg mitgenommen. Alle waren festlich in besonders schöne Dirndl und Janker gekleidet, bei starkem Schnee fuhren wir nach Salzburg. Dort erlebte ich das heute renommierte Adventssingen noch mit Tobi Reiser. Es gilt als Anfang vieler anderer Adventssingen und Weihnachtsgeschichten. Es war ein ganz besonderes Erlebnis.

Vor zwei Jahren erlebten wir dank einer Freundin ein ähnliches „entschleunigtes" Vorweihnachten - in Gestalt einer Fahrt durchs tiefverschneite bayrische Land, Bootsfahrt über den Königssee mit Lesung der „Heiligen Nacht“ von Ludwig Thoma durch Hans Stanggassinger, Sängern und Musikanten aus dem Berchtesgadener Raum, Echowandblasen und echter Volksmusik in St. Bartholomä.

In der Uniklinik in der Maistraße gab es eine weitere Sitte: 
Prof. Ernst Brusis las eine wunderbare bayrische Weihnachtsgeschichte begleitet von Prof. Rainer Kürzl und seiner Frau mit ihrer Stubenmusi. 
Solche echten, andachtsvollen Erlebnisse begleiten nicht nur mich viele Jahre, ich wünsche ihnen allen viele solche Erlebnisse.


Für die Weihnachtssitten von Christkind bis Weihnachtsmann ist es noch ein bißerl zu früh, davon also später. Für die „Sternsinger“ haben wir auch noch Zeit.

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