Sonntag, 19. August 2012

"WEISSE HANDSCHUHE"

"WEISSE HANDSCHUHE - wie das Gedächtnis Lebensgeschichten schreibt" bzw. "white gloves. how we create ourselves through memory"- dieses Buch von John Kotre ist gerade wieder in meine Hände gelangt. 
Vor etwa einem dutzend Jahren wurde dieses Buch bzw. sein Titel in unserer Familie immer wieder zitiert. Der Autor beschreibt anhand von den weissen Handschuhen seines Grossvaters, an die er sich erinnert - obwohl er sie nie gesehen hat - wie unser autobiographisches Gedächtnis unsere Erinnerung fortlaufend umschreibt und den Gegebenheiten anpasst. Er beschreibt wie die Fakten der Biografie von uns fast dichterisch umgeschrieben werden. 
Meine Mutter erinnerte sich an eine rote Polsterbank im Hause ihrer Grosseltern, die es jedoch nach Aussage ihrer noch lebenden Angehörigen nie gab. 
Gerade anhand meines Blogs über vergessene Speisen und Gerüche kam bei uns dieses Thema der Erinnerung an die Kindheit wieder auf. Vieles ist heute einfacher, da wir uns anhand von Fotografien oder gar Filmen leichter besinnen. Es ist auch sehr spannend wie unterschiedlich Geschwister / Eltern sich an die gleiche Begebenheit erinnern. Chronologisch ist manches auch verschoben. Ich bin oft unsicher, wie vieles ich nur aus Erzählungen meiner Mutter weiss und an wie wenig ich mich selbst erinnere. Kalkfahnen der Strassen auf der schwäbischen Alb, wenn ein Auto kam? Eisblumen am Fenster? Das frischgebackene Brot von "Oma Miedelein" (einer alten Frau, die für das Dorf im Ofen Brot backte), das ich noch warm im Arm nach Hause trug und von dessen verlockender Kruste ich mir kleine Kanten herausbrach? Meine Erinnerung beginnt so richtig erst mit 6 oder 7 Jahren, davor gibt es nur Erinnerungsfetzen oder -streiflichter. Bei meinem Mann reicht die Erinnerung viel weiter zurück. Sein Vater ist gestorben als er noch klein war und trotzdem erinnert er sich sehr deutlich an manche Begebenheit. Vielleicht war ich deshalb auch so fasziniert von den unglaublich vielen Fotos, die es in der Familie meines Mannes gibt. In dieser Familie ist die Erzähl- und auch die Erinnertradition viel ausgeprägter als in meiner Familie. Man könnte es fast als ein narratives Gen beschreiben. Bereits in den Anfangsjahren unserer Ehe berichteten die Verwandten mir von den erfundenen und tatsächlichen Weltreisen des Großvaters in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts.
Zum Schluss noch zwei Fotos aus der Kindheit von meinem Mann und mir - vor der Unisexkleidung?

ein Foto von mir
mit Riesenkopf und handgestrickter Mütze
mein Mann als Kind
Und für alle, die Spaß an schönen alten Fotos haben, ein paar echt Münchner Fotos aus der mütterlichen Sippe meines Mannes:

Links Urgroßvater, rechts Großvater,
der aufgrund seiner Größe
vor der Münchner Residenz Wache stand
kitschig schön: Großtante Resi
der stattliche Urgroßvater,
Leiter des Münchner
Telegrafenamts



die Großmutter als Rotkreuzschwester in der Taxisstraße

Wie man an dem folgendem Reisepass von 1927 von Großvater Gruppe und seiner Frau sehen kann, gab es Zeiten, in denen die Ehefrau beim Mann mit im Pass stand - so wie heute Kleinkinder.





Zum Vergrößern kann man die Fotos einfach anklicken!

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